Sprache ist (fast) alles
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In seiner Rede zur Verleihung des Goethe-Preises 1982 hat Ernst Jünger gesagt: „Es scheint Leute zu geben, die Bücher lesen, bloß um sich zu ärgern.“[1]
Wenn ich ein Buch lese, dann will ich mich nicht ärgern. Es darf mich provozieren, zum Widerspruch fordern, gekonnt unterhalten oder – am liebsten – sprachlich begeistern, Letzteres insbesondere bei gekonnter Lyrik.
Vor allem aber verlange ich von jedem Text, was ich auch von meinen eigenen Texten erwarte: eine gekonnte und souveräne Handhabung unserer wunderschönen Sprache. Mir ist die inzwischen erfolgte öffentliche Akzeptanz obszöner oder Fäkalsprache zuwider.
Im Gymnasium Humboldtschule in Hannover lernten wir in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch Gedichte auswendig, wurden mit Stil und Grammatik der deutschen Sprache konfrontiert und angehalten, unsere Sprache auf dem höchstmöglichen Niveau zu beherrschen. Das prägt bis heute!
Schon als Schüler, später auch als Student, gleichwohl einer Naturwissenschaft, hat mich belletristische Literatur fasziniert. Im Zuge meiner Hinwendung zu den Geisteswissenschaften aber habe ich dann nur noch historische, theologische oder philosophische Texte gelesen.
Das will ich nun ändern. Mich hat nämlich eine Leseliste des geschätzten Prof. Gunther Nickel begeistert, die ich mir jetzt zu Eigen gemacht habe und nun Werk um Werk lesen will. Dabei habe ich mich jetzt entschieden, meine Eindrücke zu den Büchern in kurzen Beiträgen niederzuschreiben.
Dabei gehe ich davon aus, dass sich jedes Buch, jeder Text (werk)immanent interpretieren lässt und sich so selbst zu vermitteln vermag. Mir ist die vielfältige Abhängigkeit eines jeden Textes, eines jeden schöngeistigen Buches von der Person des Autors, seines Umfeldes, den historischen Bezügen und Traditionen und den politischen Strömungen, um nur einige zu nennen, wohl bewusst. Und ich will gerade deshalb eben alle diese Bezüge und auch noch andere im Text selbst wiederfinden. Der Inhalt eines Buches, oder weitergefasst, das Wesen eines Textes kann sich erschließen, wenn man den hermeneutischen Zirkel anwendet, der Schritt für Schritt die Gedanken im Text zu entfalten vermag. Erst danach sollte man ein dem Text angepasstes Konstrukt außertextlicher Informationen beim Lesen parat haben.
Wobei gilt, dass jeder Schriftsteller bei seiner Leserschaft ein Grundmaß an möglichst breiter Bildung voraussetzen darf.
Jedes Buch, jeder Text hat das Recht, ihm in der bestmöglichen Weise gerecht zu werden. Es gibt das, was man hinlänglich „Hintergrundwissen“ nennt, ohne das sich kaum etwas aussprechen oder verstehen lässt. Historische Texte z.B. erschließen sich ja oft überhaupt erst dann, wenn man entsprechende Begleitlektüre zur Hand nimmt.
Ich mag es aber überhaupt nicht, wenn sich ein Text durch unnötig verklausulierte Sprache, unautorisierte Belehrung des Lesers oder angeblich intellektuelle Exklusivität meint, exponieren zu können. Gekonnter Umgang mit Sprache schafft eben gerade keine elitäre Literaturschwurbelei, sondern z.B. den ästhetischen Genuss, die gedankliche Klarsichtigkeit, die argumentative Schärfe, die sachliche Sicherheit oder die emotionale Ergriffenheit. Herablassende Pseudoabgeklärtheit, sich in gelangweiltem, selbstgefälligen Sprachduktus dokumentierend, verwirkt das Recht, mit dem Text respektvoll umzugehen.
Adalbert Stifter hat gesagt: „Die Mittel des Dichters sind Worte, in denen er alles mitteilt, was künstlerisch mitgeteilt werden kann“.[2] Nicht nur im ästhetisch-moralischen Kontext Stifters, sondern mir persönlich ist dieser Grundsatz der Ausgangspunkt, mit Literatur umzugehen.
Ich werde nicht auf die Ebene der Literaturkritik abheben und nicht den Anspruch erheben, akademisch im Literaturbetrieb zu diskutieren. Ich schreibe das, was mich bei der Begegnung mit dem jeweiligen Buch berührt hat, wobei ich die reflektierende Präzision des Lesens, mit der ich geisteswissenschaftlichen Texten begegne, bei der mit der schöngeistigen Literatur nicht ablegen werde.
Bei meinen Kommentaren werde ich übrigens keinen Hehl daraus machen, dass ich bekennender Christ bin. Das heißt nicht, dass ich Belletristik aus biblischer Sicht betrachte. Es heißt nur, dass ich, wenn es angeraten zu sein scheint, christlich geprägtes Denken heranziehen werde. Gute Literatur hat nach den Regeln guter Literatur betrachtet zu werden. Und gute oder schlechte Bücher werden nicht dadurch gut oder schlecht, dass sie mehr oder weniger christlichen Vorbildern folgen oder christliche Werte vermitteln. Aber zum Beispiel ein Verstoß gegen die Ethik der Bergpredigt wäre sicher eines genaueren Blickes Wert.
Ich lasse mich, um das Dictum Ernst Jüngers noch einmal aufzunehmen, nicht ärgern, aber ich werde immer rebellieren, wenn jemand – womit auch immer – meint, es versuchen zu dürfen.
Es geht mir um Literatur, nicht um Literaturkritik
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18.06.2017